A-ha Erlebnisse (WOM Journal, Ausgabe 05/2002)

Die letzte Tour war auch ihre erfolgreichste. Aber bloß, weil A-ha sich schon rein rechnerisch über frisch gewonnene Fans freuen dürfen, huldigt das Trio dennoch nicht dem Tanz um Trends und Moden. Mit Lifelines entfernt man sich sehr behutsam von den einst persönlich geschaffenen Vorlagen - die Band klingt immer noch ganz nach sich selbst.

Zum rechten Bild: Erstaunlich gut in Schuss, erfolgreich wie eh und jeh: Mit Paul, Morten und Magne hat Norwegen einen Exportschlager zurück, der dem heimischen Pop von Anfang an ungeahnten Auftrieb brachte.

W.J.: Einer von euch soll vor knapp zwei Jahren gesagt haben, kein Mensch brauche die Reunion einer Eighties-Band - Wer war der Täter, welche Motive hatte er?
Morten: Das könnte jeder von uns gesagt haben.
Magne: Wahrscheinlich hat nur einer von uns laut nachgedacht, und ich glaube, das sogar selbst gewesen zu sein. Die Idee hinter dem hübschen Satz war die: es macht ja keinen Sinn, die Vergangenheit einfach nur zu feiern, man muss sich für die Feier ein paar warme Gedanken machen.
Morten: Zumal für uns die Achtziger überhaupt kein Gesicht hatten, das gibt es ja immer erst im Rückblick. Ich empfand die Dekade als einen riesigen Marzipankuchen, zu viel klebrige Füllung, zu dünner Boden. Wer sich heute die Achtziger zurück wünscht, hat trotzdem meinen Segen, denn ich habe damals auch voller Sehnsucht in die Sixties geschaut. Allerdings war mir klar, dass weder die Beatles, noch wir die Platte aufnehmen durften, die wir uns gewünscht haben.

W.J.: Wie hätte die denn geklungen?
Morten: Im Grunde gibt es sie, nur halt nicht von uns. Ein Typ namens Jimi Hendrix hat sie vor 35 Jahren aufgenommen.

W.J:
Nach dessen Musik haben A-ha aber irgendwie nie geklungen!
Morten: Nach seinen Songs nicht, klar. Aber ich trage diese Vorstellung beinahe perfekter Musik in mir, die verdammt nach Jimi klingt. Wenn dir ein Maler oder Bildhauer seine Lieblingswerke nennt, sehen die eigentlich auch nie aus wie seine eigenen. Das Medium eines Künstlers liegt selten im gleichen Feld wie sein Geschmack - deshalb ist die Kunst ja auch so spannend.

W.J: Wenn wir nun zu Eurem zweiten Anlauf kommen...
Morten: ...den du gerne ein Comeback nennen darfst, weil das Leugnen nach sieben Jahren Pause doch zwecklos wäre...

W.J: ...wenn wir also von Eurem Comeback reden: War das Kontinuität oder Neuanfang?
Magne: Ich wollte es unbedingt neu beginnen lassen, ich wünschte mir die Konfrontation mit dem Mythos A-ha. Um dafür ein Beispiel zu geben: Unser Ruhm von einst gründete sich ja nicht zuletzt auf diese Teenie - Hysterie, und nun gab es definitiv zum ersten Mal die Chance, ohne sie zu bestehen. Quatsch, was sage ich: Es gab einfach gar keine andere Chance! Unter anderen Vorzeichen aber hätte man mich auch zu keiner Reunion überreden können, da wäre ich lieber ganz bei meiner Malerei geblieben.
Morten: Wir haben eine Menge Dinge über Bord geworfen. Hauptsächlich Sachen, die zwischen uns standen und Arbeit erschwerten. Es gab in den letzten zwei Jahren viel Gespräche über Partnerschaften und die Verflechtung mit dem Business unter uns, nach denen viele neu sortiert wurden und mir alles wirklich wie ein Neustart vorkam. Anfangs war ich der größte Skeptiker vor uns und dachte, es würde niemals klappen. Auf der anderen Seite glaube ich fest daran, dass wir unser Potential noch längst nicht ausgeschöpft hatten.

W.J.: Welche Gefühle haben Euch beschlichen, als Ihr dann wieder auf der Bühne standet, vor Leuten, die alle ihre alten Platten noch mal live hören wollen?
Morten: Zum Glück durften wir feststellen, dass dem überhaupt nicht so war, schon bei der Platte nicht. Die haben wir auch deswegen nur unter der Bedingung gemacht, dass uns die WEA hier in Deutschland unter Vertrag nehmen würde, denn dort war, anders als daheim, auch keiner an einem kompletten Zweitaufguss interessiert. Nur in einer Hinsicht haben wir genau das getan, was schon früher zu unserem Erfolg und vielleicht sogar zum Langzeitwert der Achtziger allgemein beigetragen hat: Wir nahmen ein Album auf, das nicht als Strohfeuer angelegt war und mehr als die Deko für ein, zwei Singles darstellte.

W.J: Und das erlaubt Euch jetzt das standhafte Dementi, wenn jemand Eure Konzerte als Nostalgieshows beschreibt?
Morten: Da benutze ich jetzt mal einen Trick und werde kurz zum Mathematiker: Unsere letzte Tour hatte mehr Besucher als jede davor. Es muss demnach eine ganze Menge neuer Fans geben, denn ich möchte nicht daran glauben, dass die alten wie die Kaninchen Kinder produziert haben, um sie nun mit der Peitsche in unsere Konzerte zu treiben.
Magne: Ich muss trotzdem einlenken, denn natürlich ist der Gang zurück an einen bestimmten Punkt seiner eigenen Biographie faszinierend, ich finde sogar zum Glück und freue mich über dieses Phänomen. Als wir nämlich vor zwei Jahren mit unserer 15 jährigen Historie in die Büros der Plattenfirmen kamen, wo heute so blutjunge Betriebswirtschaftler und Marktforscher sitzen, da kamen wir uns echt vor, als trügen wir Felle und hätten einen großen Mühlstein als Gastgeschenk dabei. In Amerika geht das ja inzwischen so weit, dass kein Hit besser als ein Nummer - 1-Hit von 1995 ist. Da spendet eine ausverkaufte Tour durchaus Trost.

W.J.: Für fast jeden Musiker gilt das zweite Album als das schwierigste - habt ihr mit Lifelines nicht auch gewissermaßen zum zweiten Mal dieses Martyrium durchstanden?
Morten: Richtig schlimm gelitten haben wir nicht gerade. Aber komisch, diese Frage habe ich mir gar nicht gestellt. Wieso eigentlich nicht? Wir sind so erfahren, wir kennen den Score, sind an Debatten gewöhnt, und da scheint man manchmal die wichtigen Fragen zu vergessen. Ich habe mich zum Beispiel vor dieser Interview - Reise gefragt, warum ich noch nicht einmal die Reihenfolge der Songs vom Album kenne. Und jetzt hoffe ich, dass es kein Alptraum wird, die fertigen Songs in der endgültigen Form zu hören.
Magne: Also, für mich war es das nicht. Ich hatte zwei Ansprüche an das Album. Es sollte das feiern, was wir früher gemeinsam waren und inzwischen erfreulicherweise wieder sind. Und es musste mich ganz persönlich als Songwriter bestätigen. Ich bin nun einmal scharf darauf, mit einem Song sowas wie einen ewigen Wert zu schaffen, wie pathetisch sich das auch anhören mag.

W.J.: Was habt ihr denn konkret dazu gelernt in den sieben Jahren Pause?
Magne: Lässigkeit und Unabhängigkeit. Wir fühlen uns alle freier in unseren Entscheidungen. Wir haben auch endlich aufgehört, Morten als Verkaufskaninchen zu missbrauchen, ihn in Americana-Songs rein zu quatschen oder den Stempel des Singer/Songwriters auf die Stirn zu drücken. Er ist eben diese pure, klare, melodramatische und auch beinahe klassische Stimme; also braucht er dafür auch die passenden Songs.
Morten: Das Alter macht ja bekanntermaßen auch tolerant, und das klappt sogar bei Popstars, ehrlich! Wir führen längst nicht mehr in gleicher Weise wie früher unsere Egos spazieren, deshalb gibt es ja auf dem neuen Album auch gelegentlich ein paar andere Komponisten - Seilschaften als damals. Sogar Magne hat jetzt überall Mitspracherecht (lacht), obwohl er noch gar nicht vierzig ist.

W.J: Erzählt doch noch ein paar Schwänke aus der Jugend. Wie schwer war zum Beispiel für Euch die Suche nach Vorbildern und Idolen?
Magne: Kinderleicht, solange wir nicht auf die blöde Idee kamen, im eigenen Land danach zu suchen. Dummerweise fanden wir sie nicht mal in unserer Zeit, und so saßen wir dann am Beginn unserer Karriere richtig blöde zwischen den Stühlen. Gerade hatten wir uns in die Musik der Sechziger verliebt, als der Punk 1979,also mit der üblichen Verspätung, auch in Norwegen ankam. Echt toll, wenn du für einen Clubgig gebucht wirst und erst vor Ort erfährst, dass du nur Support bist und bitte ein Publikum anwärmen sollst, das sich riesig auf 'ne knallharte Punkcombo freut.
Morten: Heute wissen wir, wie sehr solche Erlebnisse unsere Offenheit und Neugier beflügeln. Aber damals, meine Güte, da hätten wir den Veranstalter am liebsten zur Hölle gewünscht. Wenigsten erleichtern unsere Erfahrungen es nun dem norwegischen Nachwuchs. Für den sind wir zwar kaum einmal musikalisches Vorbild, aber unsere Karriere hat doch mental bei den
Youngsters einiges bewirkt. Dieses Gefühl, es schaffen zu können, obwohl man aus dem Land der Hinterwälder kommt, geht mindestens zum Teil auf unser Konto. Und die Ergebnisse können sich ja wirklich sehen lassen.

W.J.: Ihr seht für Euer Alter ja noch recht passabel aus. Geht ihr auch deshalb wieder auf großer Tour, weil die Zeit ohne Groupies einfach zu lang war?
Magne: Ich könnte jetzt sagen: Ich habe Familie, Punkt. Aber ich sage lieber: wenn da noch immer junge Mädchen stehen und dich anhimmeln, findest du das nicht unbedingt ganz furchtbar. Du musst nur aufpassen, dass es beim Gucken und Freuen bleibt, sonst wirst du irrsinnig schnell zur lächerlichen Figur.
Morten: Was guckst du jetzt mich so an, das ist eigentlich gar nicht mein Thema! Aber ehrlich: Wenn früher vorne grelle Stimmen kreischten, hat man schon mal daran gedacht, ob das Hotelbett nicht ein bisschen klein ist. Heute erschrickt man eher und überlegt, ob vielleicht die Security für den Laden unterbesetzt ist.

Dank an Oliver für das Einscannen des Artikels

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