Norweger sind so (Orkus Ausgabe 05/2002)
Wer hätte das gedacht: Mit Minor Earth,Major Sky
starteten Morten Harket, Magne Furuholmen und Paul Waktaar vor zwei
Jahren noch einmal unerwartet durch.Nun folgt Lifelines, der rundum überzeugende
nächste Streich. Dementsprechend entspannt gab sich Gitarrist und
Songwriter Magne im Interview.
Orkus: Hallo Magne. Sonst habt ihr die
Interviews immer gemeinsam gemacht.
Magne: Ich weiß, aber man kommt schneller oder
überhaupt zum Punkt, wenn nicht ständig alle durcheinanderreden.
O: Magst du die anderen beiden überhaupt?
M: Nein, ich hasse sie. Quatsch, ich mache nur
Spaß, wir kommen schon ganz anständig miteinander aus. Aber wir sind
natürlich recht unterschiedliche Menschen. Besonders, wenn es etwas
tiefer geht, verwirren wir uns bei gewissen Themen gerne gegenseitig.
Ich meine, in welchen Situationen sitzt man als Erwachsener herum und
redet den ganzen Tag über sich selber? Eigentlich ist das eine
klassische Grundschulsituation.
O: In der Biographie steht, ihr hättet bei der
Entstehung des neuen Albums viel gekämpft?
M: Och, wir sind zwar stets verschiedener
Ansicht, aber als Kampf würde ich das nicht bezeichnen. Vielleicht
haben Paul und Morten gekämpft, ich jedenfalls habe mich auf die Songs
konzentriert. Ich hatte eine Menge Energie nach der letzten Platte. Das
wollte ich auf diesem Longplayer zeigen. Nach den Konzerten und den
tollen Reaktionen hatten wir eine sehr positive und euphorische
Grundstimmung. Das wollte ich auf dem Album dokumentieren. Es war doch
deutlich anders als bei der letzten Platte, dem Comeback. Diesmal gab es
nicht so sehr diesen Druck, allen gefallen zu müssen.
O: Stimmt der Eindruck, dass Lifelines rockiger
ist als Minor Earth, Major Sky?
M: Ja, es gibt bei A-ha immer rasch die Neigung,
zu sehr ins Softe oder ins Bombastische abzugleiten. Ich habe diesmal
beim Songwriting viel mit Morten gearbeitet und gelernt, wie man den
Kitsch vermeidet; wir haben versucht, ein bisschen kantiger zu sein.
O: Wobei der Titelsong ja sehr persönlich ist.
M: Ihn hätte ich gerne als erste Single
gesehen. Das Lied ist in der Tat sehr persönlich, es geht um
Lebensentscheidungen. Manchmal sitzt du im Restaurant und schaust dir
andere Menschen an. Du denkst, dein Leben hätte auch genauso gut
komplett anders verlaufen können, und du wünschst dir, in das Leben
dieser anderen Leute zu treten, um zu sehen, wie völlig andere Umstände
sich auf dich auswirken. Gelegentlich bereue ich es, manche Dinge nicht
ausprobiert zu haben, weil ich vielleicht Angst vor den Konsequenzen
hatte. Vielleicht hätte ich heute ganz andere Freunde, eine ganz andere
Familie. Ich will mein Leben nicht eintauschen, aber mich fasziniert die
Vorstellung, wie es auch hätte sein können. Ich will nicht übertreiben,
doch das ist eine fundamentale Traurigkeit, mein Leben vielleicht zu
eindimensional gelebt zu haben, die mich seit Jahren umtreibt.
O: Oh je, du bist aber sehr philosophisch.
M: Norweger eben. Wir sind keine sonderlich
einfachen oder zugänglichen Menschen. In Norwegen machen wir uns immer
viele Gedanken und werden schnell melancholisch. Wir sind Denker. Ich könnte
auch nie schreiben, wenn ich glücklich bin, dann spiele ich lieber mit
meinen Kindern. Stücke zu schreiben wenn ich traurig bin, ist auch ein
Weg, mir meine eigenen Gefühle mir gegenüber zu erklären. Oder es
zumindest zu versuchen. Wenn andere Menschen irgendetwas damit anfangen
können und meine Gedanken und Gefühle in ihren Köpfen und Herzen
Widerhall finden, dann sind wir dort, wo Kunst funktioniert.
O: Irgendwie ist A-ha eine wirklich seltsame
Band...
M: Ja! Sehr seltsam sind wir...
O: ... weil ihr ja einerseits im Teenie-Markt
aktiv seid und auf der anderen Seite wirklich anspruchsvolle, tiefgründige
Musik macht.
M: Ja, und ist das nicht schön? Man kann gute,
qualitative Popsongs machen, ohne zu strategisch oder zu clever zu
werden. Ich mag keine clevere Musik. Deshalb mag ich zum Beispiel
Radiohead. Sie erlauben sich verletzlich zu sein. Oder Travis. Die haben
keinen einzigen schlechten Track auf ihrem neuen Album. Am liebsten mag
ich Lieder, die eine fundamentale Einfachheit aufweisen. Das ist doch
viel besser, als wenn ich so betont cool bin. Coolsein ist nämlich blöd;
vielleicht sage ich das aber auch, weil ich überhaupt nicht cool bin.
O: Aber du sitzt hier mit deiner Gitarre im Arm
und siehst aus, als ob du gerade aus dem Urlaub kämst.
M: Das tue ich ja auch. Wir waren gerade auf
Kuba, wo wir das Video gedreht haben, und anschließend habe ich ein
paar Tage mit Freunden in Miami verbracht.
O: Ihr habt früh in eurer Karriere alles
erreicht. Wie groß ist die Verlockung, das ganze Leben zum Urlaub zu
machen?
M: Geringer, als die meisten sich das vorstellen
können. Ich empfinde unsere Karriere als eine Art Mission.
O: Inwiefern?
M: Jedes neue Album, das wir machen, ist ein
weiterer Versuch, die Vergangenheit zu korrigieren. Als wir weg waren,
war ich immer irritiert, wie die Leute über A-ha sprachen. Ich wollte
gerne meine Historie zurückbekommen und sagen: "Fickt euch,
Leute." Wir sind eine viel bessere Band, als die meisten glauben.
Was daran liegt, dass wir mit Take On Me gleich diesen Wahnsinns-Welthit
hatten. Jetzt, mit dem Comeback-Album und der neuen Platte, kommen
endlich auch die Kollegen und die Kritiker an und sagen: "A-ha sind
ja viel besser, als ich dachte." Darauf bin ich stolz.
O: Es war überraschend, dass euer Comeback so
grandios klappte. Minor Earth, Major Sky war ja sogar auf Platz eins der
deutschen Albumcharts.
M: Mich hat das genauso überrascht. Wir haben
aber auch vieles richtig gemacht: Die Platte war gut, und niemand hat
uns als alten, abgewirtschafteten Retro-Act angesehen. Wir sind nicht
stehen geblieben, wir sind unseren eigenen Weg gegangen. Wir klingen
nicht altmodisch, sondern wir klingen wie A-ha.
Vielen Dank an Mechthild
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