Morten Harket mag es bittersüß
(Neue Westfälische vom 14.09.2002)

Zwei Jahre nach ihrem Comeback spielt die legendäre Pop-Band A-ha nächsten Samstag im Gerry Weber Stadion in Halle. Doch eine Nostalgieshow soll es nicht werden. "Wir wollen etwas wirklich Neues machen", verspricht Sänger Morten Harket. Im Magazin-Porträt erzählt der unumstrittene König des Pop und Urvater aller Teeniebands, wir er mit den 80er Jahren abgeschlossen hat und welche Dinge ihm heute wichtig sind:

Morten Harket mag keine Marzipanbrote mehr. Hungrig steht der Sänger der norwegischen Pop-Band A-ha auf dem Rasen vor dem Grandhotel Schloss Bensberg bei Köln und schnappt nach Luft. Nach klarer, frischer Luft. Er ist auf dem Weg. Doch wohin er wirklich will, weiß er noch nicht. Nur die Richtung kennt er. Dann labt er sich an den letzten Sonnenstrahlen des Tages und entschwindet erst einmal zur Pressekonferenz. A-ha sind zwei Jahre nach ihrem Comeback wieder unterwegs. Mitte August haben die drei Norweger Morten Harket, Paal Waaktaar-Savoy und Magne Furuholmen mit ihrem neuen Album "Lifelines" den zweiten Teil ihrer Welttournee in Brasilien gestartet. Nun statten sie ihren deutschen Fans einen ausgiebigen Besuch ab. Der Auftakt der Tournee ist am 15. September in Leipzig, am 21. September spielen sie im Gerry Weber Stadion in Halle. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Morten Harket ist ein erfahrener und zäher Wandersmann. Zumindest im Musikbusiness. Als er zusammen mit seinen beiden Begleitern Magne und Paal 1985 mit dem Popsong "Take On Me" sämtliche Charts der Welt stürmte, war er schon einmal auf dem Gipfel des ganz großen Erfolges. Darüber hinaus betraten sie mit dem dazugehörigen Videoclip filmisches Neuland. Halb als Mensch, halb gezeichnet stolperten Morten und seine Freunde durch Raum und Comic-Welt.

Neben den Charts eroberte Morten in den Anfangsjahren widerstandslos die Herzen der weiblichen Teenies. Seine gefühlvolle Stimme nistete sich ein in ihren Kassettenrecorder, sein Name zierte etliche Federmappen. Und wo heute die Bilder von den No Angels oder Robbie Williams hängen, lachte damals sein smartes Gesicht von den Wänden. Berühmter als die Beatles wollte Morten werden. Auf der Pressekonferenz im Schloss Bensberg ist Morten Harket, der heute 43 wird, rein äußerlich noch immer der König des klebrig süßen Pops und Urvater aller Teenie-Bands. Mit einem lässigen "Hello Guys" betritt er selbstsicher den barocken Saal. Graziös schreitet er in Jeans und T-Shirt an der wartenden Meute vorbei, schlägt die Wimpern hoch und schickt mit seinen Augen blaue Lichtstrahlen in die Kameras der Fotografen.

Während er brav die Fragen zur Tour beantwortet, hat er seine muskulösen Oberarme vor dem durchtrainierten Oberkörper verschränkt. Er ist startklar. Doch Morten will nicht. Er will nicht mehr den Pfad gehen, auf dem er die letzten 15 Jahre unterwegs war. Er will nicht zurück in die 80er Jahre. Er will auch nicht zurück an die Zimmerwände der Teenies. Berühmter als die Beatles will er auch nicht mehr werden. "Die Zeit damals war für mich wie ein Marzipanbrot mit einer zu klebrigen Füllung und einem zu dünnen Boden", erzählt Morten am Rande des Presserummels. Jetzt lehne er das Süße zwar nicht ab, zu seinem Leben gehöre aber auch der bittere Geschmack dieser Welt. Das sagt er weder abfällig, noch vorwurfsvoll. Seine Worte klingen eher geistlich und gütig. Predigen will er aber nicht - auch wenn er vor seiner Zeit als Sänger Priester werden wollte.

Morten will nicht den eigenen Mythos nähren, sondern lieber von seinen Einsichten erzählen, von den Dingen, die ihm wichtig sind. Und davon singen. So stehen im Zentrum seines Interesses nicht mehr der totale Erfolg, sondern existentiellere Dinge wie Freundschaft, Vertrauen und Verantwortung.

Mortens Lebensgeschichte, seine persönliche Lifeline, ist die eines Mannes, der auf dem Weg zum absoluten Superstar innerlich umgekehrt ist: "Ich will nicht weiter mein Ego vor mir hertragen, sondern die Dinge willkommen heißen, die passieren." So ist er auf seiner Wanderung als Pop-Star trittsicherer geworden. Auch die vielen Frauen, die den geschiedenen Vater von drei Kindern noch immer verehren und nahezu alles für ihn tun würden, können ihn nicht wirklich von seiner Richtung abbringen. Damals fragte er sich nach einem Konzert noch, ob das Bett im Hotel groß genug ist: "Heute will ich wissen, ob es genügend Sicherheitspersonal im Hotel gibt."

Das aktuelle Album und die Tour ist daher keine Nostalgieshow. Zwar klettert Morten in seinen Liedern immer noch die Stimmleiter hoch bis auf die letzte Sprosse, doch dann folgen auch sehr melancholische angehauchte und nachdenkliche Stücke. Das ist es, was heute an ihm anders ist: Seine stets sanfte Stimme balanciert zwischen Ernsthaftigkeit und Lebensfreude. Er ist nicht mehr nur der smarte Teenie-Schwarm, sondern auch der bittersüße Melancholiker.

Wohin seine Reise allerdings einmal gehen wird, weiß Morten selber nicht. Mit hochgezogenen Augenbrauen blickt er im Schloss Bensberg hoch zu den über ihm schwebenden Engel an der barocken Decke und sucht nach einer Antwort: "Meine und die Geschichte von A-ha ist noch nicht geschrieben." Dann erhebt er sich und geht hinaus in die kühle, klare Abendluft.

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