Zurücklehnen in diese Musik
(Frankfurter Rundschau vom 04.10.2002)
Ob es kracht oder schmeichelt: Morten, Magne und Paul, die sich
zusammen A-ha nennen, erwärmen das Herz im Spätsommer
Es ist spät, als Morten Harket seine Stimme endlich nochmal
fliegen lässt. Mit Summer Moved On beginnt die Zugabe, und weil da
schon fast zwei Stunden Konzert hinter dem Sänger liegen, klingen die
ersten Höhenmeter etwas mühsam. Aber dann jubiliert er sich doch
noch zum hohen "day", und die Menge in der Frankfurter
Festhalle ist noch hingerissener, als sie es ohnehin schon war nach
dem seligen Mitsingen bei Hunting High And Low und, noch exzessiver,
bei The Living Daylights, als keiner mehr aufhören wollte mit dem
Refrain.
Die Gruppe mit dem seltsamen Namen A-ha war in der Stadt, die
Festhalle voll, die Stimmung gut. Nach der Minor Earth Major Sky-Tour
von 2000/2001 folgte nun ziemlich schnell die Lifelines-Tour, schnell
jedenfalls für eine Band, die vorher sieben Jahre lang abgetaucht
war. Aber dann trat sie entschlossen in ihre eigenen Fußstapfen. Das
neue Material, von dem es an diesem Abend reichlich zu hören gab,
klingt durchweg vertraut nach dem satten, majestätischen Gefühlsrock
der Drei. Und auch bereits bewährte Co-Musiker haben sie mitgebracht,
Anneli Drecker als Background-Sängerin, die Brüder Per und Sven
Lindvall am Schlagzeug und Bass. Und weil Magne Furuholmen, der immer
als "der Keyboarder" von A-ha bezeichnet wird, inzwischen
viel Konzert-Zeit an der Gitarre verbringt, ist diesmal noch ein quasi
hauptberuflicher Keyboarder namens Christer Karlsson dabei. Furuholmen
und Paul Waaktaar-Savoy umrahmen indessen mit Gitarrenklang ihren Sänger,
und sind, vielleicht, ein wenig neidisch, dass so reizvolle Dinge wie
BHs nur vor dessen Füße fliegen.
Doch bis zur Unterwäsche dauert es. Um Acht startet erstmal die
Vorgruppe, Saybia aus Dänemark, fünf Jungs, die auf den Durchbruch
warten und zwischen ihren recht A-ha-kompatiblen Nummern (Pompös-Rock!
Gitarren!) in die Halle rufen "Are you ready?" Sie werden
trotzdem freundlich beklatscht.
Dann kommt die Umbau-Pause und die tollkühnen Männer an den
Schweinwerfern klettern schwankende Strickleitern hoch. Auch eine Wand
aus Displays gibt es, über die, je nach Song-Stimmung, Lichtwellen
sich wälzen, Punkte flitzen, blaue Flammen züngeln werden.
Und dann: Jubel für Magne, Paul, Morten besonders, der ein
neckisch rotes T-Shirt und schwarze Lederhosen trägt. Zügig breiten
sie einen Teppich aus, in den sie im Folgenden immer schön
abwechselnd eine ruhigere und eine rockigere Nummer weben, nach dem
herrlich schmalzigen Time & Again kommt das düstere Did Anyone
Approach You?, nach den munteren Oranges On Appletrees das
zart-melancholische Turn The Lights Down. Apropos melancholisch: Das
ist der Grundton der A-ha-Musik, ob sie nun von Furuholmen oder
Waaktaar-Savoy geschrieben ist (oder, sehr selten, von Harket), ob sie
nun kracht oder schmeichelt. Die Liebe ist meist eine vergebliche in
diesem Universum, der Regen fällt, die Orangen hängen am falschen
Baum und sogar das bisschen Trost (Solace) schleicht sich noch davon.
Das mag am norwegischen Wetter liegen.
Aber es passt auch in den Frankfurter Spätsommer. Man kann sich
so angenehm zurücklehnen in diese Musik, sie hält das Herz warm und
beansprucht den Kopf nicht allzu sehr. Und, hin und wieder, erinnert
Morten Harkets Stimme eben so wunderbar an eine Sommer-Lerche, die
singend hoch und höher steigt.
Dank an Mechthild
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