Es
schmerzt so schön
(Darmstädter Echo vom 04.10.2002)
Pop-Konzert: Hits mit
Nachbrenner: Das norwegische Trio A-ha begeistert vor achttausend
Zuschauern in der Frankfurter Festhalle
A-ha hat sich weiterentwickelt. Mit Pop und
Rock aus drei Jahrzehnten feiert die norwegische Band einen zweiten Frühling.
Wer bei seinem Triebwerk mehr Schub haben will, der muss die
Abgase mit Kraftstoff versetzen und noch mal zünden. Der so genannte
Nachbrenner kostet zwar viel Energie, sorgt aber für enorme Power.
Was Jetpiloten auf Touren bringt, kann auch Popstars wieder in die
Hitparaden schießen. Pal Waaktaar, Magne Furuholmen und Morten Harket
haben vor zwei Jahren erstmals ihren Nachbrenner auf der Bühne gezündet:
Nach sieben Jahren Pause hatten sie ihre alten, vermeintlich
ausgebrannten Hits aus den späten Achtzigern mit neuem Material
angereichert und noch mal Vollgas gegeben. Mittlerweile ist "Lifelines",
das siebte Album des Trios, auf dem Markt - der Tank ist wieder voll,
und der Nachbrenner läuft wieder: Neue Nummern befeuern die
Klassiker. Für 8000 Zuschauer am Dienstag in der Frankfurter
Festhalle ein begeisterndes A-ha-Erlebnis.
Die Mannschaft am Mischpult leistet exzellente Arbeit, präpariert
die klirrend-klare Kopfstimme von Morton Harket strahlend heraus,
verleiht Waaktaars Gitarre ein prächtiges Volumen und präpariert die
Melodien von Furuholmens Keyboard nachgerade plastisch heraus. Die
drei Begleitmusiker und die Background-Sängerin sind hingegen oft nur
als Silhouetten zu erkennen und auch ihr Sound wirkt über weite
Strecken verdeckt.
Die drei Norweger vorne an der Rampe, die mal eine Boygroup waren
und mittlerweile in ihren Vierzigern sind, spielen nicht mehr die
Rollen von Teenagerstars - wozu auch? Die Männer und Frauen im
Publikum sind zu großen Teilen so alt wie sie selbst. Furuholmen
erfreut die Menge mit deutschen Ansagen, Waaktaar greift gerne rockig
in die Saiten. Morton Harket verweigert die große Show fast völlig,
läuft mit rotem T-Shirt und Lederhose auf der Bühne herum, als wäre
er im Studio. Da geht es ja auch nur um seine unverkennbare Stimme,
die stets so klingt, als hätte ein Engel Depressionen. Dazu flackern
im Hintergrund Videotafeln mit kühlen grafischen Mustern, Flammen und
Wolken. Mehr braucht es nicht, um den Songs von A-ha Wirkung zu
verleihen.
Das Publikum ist von Anfang an gebannt, zehn Minuten lang singen
sie den Refrain des Bond-Titelsongs "Living Daylights". Die Hits
aus den Achtzigern haben noch immer einen frischen Klang, auch wenn
der Rhythmus stampfend ist und der klingelnde Synthesizersound plumper
wirkt als die Dancegrooves der neuen Nummern. Auf "Take on me",
den ersten A-ha-Hit aus dem Jahr 1984, hat Harket offensichtlich keine
große Lust mehr, so sehr leiert er. Um so erstaunlicher, wie düster
die Hymne "The sun always shines on TV" (1985) noch heute glüht.
Tja, im Fernsehen ist immer Sonnenschein, in Norwegen jedoch geht
der Sommer schnell vorbei, und dann wird’s duster, verdunkeln sich
die Gemüter, verblasst die Erinnerung an die Liebe. Wenn Harket davon
singt, unterkriecht Schwermut die Leichtigkeit des Pop.
Mit der Musik von A-ha ist es eben wie mit einem Pulli, der sich außen
kuschelig anfühlt, doch wenn man ihn mal übergezogen hat, spürt
man, dass die Innenseite aus Stahlwolle ist. Das schmerzt so schön,
das will man gar nicht mehr ausziehen.
Dank an Mechthild
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