Magie in der Luft (Dagbladet, 25.11.2000)

Hamburg: Von Hitlisten-Kultur zur Pop-Magie in Hamburg. A-ha sind gestern abend mit Stil,
Kraft und königlicher Aura wiederauferstanden. Es war beinahe unheimlich.

Vom Eisblock zu Purpurrot, von tosendem Stadionrock zu lyrischen Unplugged-Sequenzen.
Alles stimmte, als A-ha gestern abend ihre erste Europatournee nach 6 1/2 Jahren einleiteten. Es war Magie in der Luft und Gänsehaut an den Ohrläppchen, als sie die Bühne mit "Minor Earth, Major Sky" einnahmen, gerade 21:00 Uhr. Und es war Magie in der Luft und Gänsehaut an den meisten undenkbaren Körperteilen, als A-ha den Tatort eines traumhaften Comeback-Konzertes nach 1 3/4 Stunden verließen.

Für Junge
Einige von uns waren zu jung, um mit der großen Schwester in Kalvøya dabei gewesen zu sein, als A-ha dort Ende der 80er Jahre spielten. Und das einzige A-ha Konzert war es seinerzeit auch nicht, bevor sie sich im Sommer 1994 zurückzogen. Aber gemäß einer Unzahl unvorteilhafter Rezensionen, die man zu lesen bekam, und nachdem man sich den Konzertfilm der Masadondtournee in Süd-Amerika, bei dem Lauren Savoy Regie geführte, angesehen hat, kann man sich lebhaft vorstellen, dass A-ha die meiste Zeit eine jämmerliche und triste Liveband gewesen sein müssen. Ein brasilianischer Reporter sagte es danach treffend, als sie das Maracana-Stadion in Rio 1991 füllten: "Kalt wie Eis, hart wie Stein, jedermann des norwegischen Trios stand erfroren und versteinert auf der Tribüne".

Text zum Bild rechts: Wurden geheiligt: Zehntausend Deutsche huldigten Morten Harket und A-ha, als die Band gestern Abend die Europatournee starteten.

Aber so ereignet es sich nun im Jahr 2000: Nach all diesen Jahren sind A-ha endlich eine Liveband geworden. Ja, "Hol´s der Teufel", eine Liveband von wirklichem Format. Mit einem Bühnendesign, einer Mischung aus Top of the Pops und der Installation von Høvikodden (?? keine Übersetzung), zeigen sich die Orginale der Band Hamburg und der Welt. Sie unterstreichen ihre trotzige und mutige Haltung, um mit drei neuen Liedern einzuleiten. Das ist akkurat eines zu viel. "Little Black Heart" ist kein starkes Lied, aber der syntielastige und unverschämt pompöse Titel aus dem 2000er-Album lässt den Augenblick gefrieren. Harket stand nur vornübergebeugt, mit Knick in der Hüfte, in glänzenden Lederhosen, schwarzes Hemd aufgeknöpft hinab bis zum Nabel oder annähernd dort, und das Mikrofon hochschmeissend.

Text zum Bild links: Brilliante Riffs: Pål Waaktaar traktierte die Gitarre auf eine flimmernde Art und Weise beim Konzert des gestrigen Tages.

Farbensprektrum
Der Klang ist teilweise verzerrt, als sie anfangen zu spielen, schadet dem Farbensprektrum, dem Einzelreichtum und der Dynamik in der Musik. Aber die Band war auch in alten Tagen
herostratisch, berühmt dafür, steif zu sein, abwesend und nicht kommunizierend - weder mit sich selbst noch mit dem Publikum - die tief konzentriert und kleidsam anzuschauen ist, und das sieht so aus, als lieben sie es, oben zu stehen. Magne Furuholmen als Mags mit Sonnenbrille und Klavier. Paul Waaktaar-Savoy als Pål mit Haarschweiß und Sologitarre, und Morten Harket als Mann von Welt, der sich nur selbst zu lieben scheint.

Leben und Tod
Von neunzehn Titeln sind beinahe die Hälfte mittelmäßige "Minor Earth". Aber A-ha bewältigen es, lebendig zu werden, Energie zu sprühen und Dynamik in ein Lied hinein zu bringen, welches auf der Platte steintod ist. Das Intro zu "I've Been Losing You" ist etwas lahm, aber die Stoppeffekte (Unterbrechungen) gegen Ende sind eine elegante Vergeltung gegenüber der Pop-Geschichte. Bei "Manhatten Skyline" sind sie bereit dafür, die gesamten Leben- und Tod-Empfindungen der vergangenen vierzehn Jahre wiederzuerschaffen. Pop als eine Kombination aus abgrundtiefer Verzweiflung und derart leichtsinniger Einprägsamkeit hat es seitdem nicht mehr gegeben. Und das Publikum ist mit dabei, als ob Weihnachten und der Mauerfall zusammen an einem Tag wären. Nicht erst seit Erik Solers Glanzzeiten im Hamburger SV vor einigen Jahren hat Norwegen mit derartiger Kraft in der Stadt regiert. "I Wish I Cared" ist heilig, bevor man zu "You'll Never Get Over Me" gekommen ist und "Velvet" hat in der Nacht eine reine Luxusprägung bekommen. Das Publikum feierte A-ha als drei weise Pop-Männer, und der Liedreichtum der Band war fesselnd, gänzlich fesselnd.

Überwältigend
Gegen Ende ist es einfach überwältigend und brilliant. "The Sun Allways Shines On TV" kommt in einer schwerfälligen und starken Version, und auch der Mitgesang von allen bei "Hunting High And Low" ist selbstverständlich gesichert. A-has Comeback nach handelt es sich um eine Vernunftsehe, aber gestern erhielten alle Seelen in Hamburg die Treue aufs neue. Leider erreicht die Welttournee nicht alle Teile, sie begrenzt sich auf Japan und Deutschland. Und da muss es ein Volksanspruch sein, dass sie bald nach Norwegen kommen. Das haben sich beide, sie und wir verdient.

Vielen Dank an Doreen für die Übersetzung

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