Die Nacht der soften Nordlichter
(Aargauer Zeitung vom 04.10.2002)

Gepflegte Melancholie Das Poptrio A-ha gastierte im Hallenstadion Zürich

Ist der zweite Frühling von A-ha schon vorbei? Bei ihrem Auftritt im Zürcher Hallenstadion liessen die Norweger manche Wünsche offen, ganz im Gegensatz zum letztjährigen Sommer-Gastspiel in der Soundarena Wohlen.

Ein Abend wie ein lang gezogener Seufzer, herüberwehend von den Gestaden der Nordsee bzw. des Nordmeers: Man fühlt den Herbst, man spürt die Brise, man grübelt, man leidet. Da tut etwas Aufmunterung und Wärme gut. A-ha, denkt man, sollten das problemlos hinkriegen. Doch mit Erwartungen ist das so eine Sache . . .

Woran lags, dass der Funke im Hallenstadion nicht überspringen wollte? Am mässig unters Volk gebrachten Album "Lifelines" nebst bescheidenem Aufmarsch des Publikums, an der Kollision mit dem diverse Basler absorbierenden Champions-League-Termin oder doch recht eigentlich an der mageren Motivation der auftretenden Bands?

Fakt ist, dass sowohl die dänischen Saybia, die das Vorprogramm bestritten, wie auch die norwegischen A-ha zwar ein Übermass an Sentimentalität, aber nur eine Sparportion an Emotion mit nach Switzerland brachten. Während Saybia mit ihren pathetischen Dehnübungen an Travis in Unterform erinnerten, vermochten auch A-ha - von wenigen Songs abgesehen - die hoch gesteckten Erwartungen nicht zu erfüllen.

In den 80er-Jahren gehörte das norwegische Trio zu den grossen Popikonen; Sänger Morten Harket war in Millionen von Teenager-Herzen zu Hause. Doch in den 90ern kam der Knick. Im Zeitalter des Grunge war für Softpop der Marke A-ha kein Platz mehr. Umso erstaunlicher, dass sich die in der Versenkung Geglaubten vor zwei Jahren mit dem vorzüglichen Album "Minor Earth, Major Sky" wieder zurückmeldeten. Morten Harket, Paul Waaktaar und Magne Furuholmen schienen kaum gealtert, stattdessen gereift. Auf der Bühne setzten sie ihren keyboardlastigen Pop mit vermehrten (halb)- akustischen und elektrischen Gitarren um, was ihrem Sound ein zeitgemässes Mäntelchen verlieh.

Und heute? Die zum Septett aufgestockte Band beginnt zunächst im Schongang. Es ist, als ob man sich mit "Forever Not Yours" und "Minor Earth . . ." erst ein wenig warmspielen müsste. Daran ist nichts auszusetzen. Wer am Soundarena-Festival in Wohlen war, weiss, dass A-ha nicht mehr zu jenen jungen Wilden gehören, die in zwei Sekunden von null auf hundert kommen.
Doch in Zürich will sich die ersehnte organische Frische nicht einstellen. Für die ersten Lebenszeichen muss man bis zum rockig dargebotenen "Manhattan Sky" warten, wo Furuholmen, der passabel Deutsch spricht, anhand des vor 15 Jahren entstandenen Songs noch einmal auf die New Yorker Tragödie vom 11. September verweist. Locker und satt gehen auch "Oranges on Appletrees" und "Did Anyone Approach You?" von der Hand.

Doch zwischendurch ist der Wurm drin. Knackig anzusehen sind Morten & Co. noch immer, allein ihre Musik - die an diesem Abend vornehmlich von den beiden neuen Alben stammt - ist es nicht. Es sind vor allem die kleinen Dinge, die sich zu grossen Ärgernissen aufhäufen. Mal ist es ein zu aufdringliches Synthi-Intro ("Lifelines"), mal stimmliche Patzer und Aussetzer Morten Harkets im anspruchsvollen "Summer Moved On" oder der beklagenswerte Umstand, dass beim einzigen Duett mit Backgroundsängerin Anneli Drecker ("Turn The Lights Down") die Strahler von hinten so stark leuchten, dass man gar nichts sieht.

Die schwächste Figur des Abends ist aber Morten Harket. Er scheint schnell erschöpft, obwohl er sich kaum verausgabt, und muss sich bei den hohen Noten ein mitleiderregendes Pressen abringen. Manchmal steht er auch einfach nur da, ratlos, unbeholfen, leidend, als ob er in sich hineinhorchte und dort nichts mehr fände. Vielleicht ahnt er schon, dass sich A-has zweiter Frühling langsam dem Ende zuneigt? Wenn das freilich die letzten Signale aus dem Norden waren, hätte man sie sich um einiges kräftiger gewünscht.

Dank an Mechthild

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